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Von Mensch zu Mensch

Rebecca Lastig • 19. Oktober 2020

Von Mensch zu Mensch

 

In der Antike formulierte Aristoteles einige Jahrhunderte vor Christus, dass der Mensch andere Menschen braucht. Ohne Gesellschaft kann er nicht leben und überleben.

Später, im Mittelalter, wird Kaiser Friedrich II. ein Experiment zugeschrieben, bei dem Waisenkinder (Neugeborene) zwar mit Nahrung versorgt und auch gewaschen wurden, aber jegliche zwischenmenschliche Interaktion verboten wurde. Er wollte damit herausfinden, welches die dem Menschen angeborene Sprache ist. Das Ergebnis: alle Kinder starben. Ohne Berührungen, die Wärme einer liebenden Person und jeglichen Austausch kann der Mensch nicht sein.

Diese Überlegungen und Erkenntnisse heute nicht zu vergessen ist umso wichtiger. Immer mehr Menschen kommen nicht mehr am Arbeitsplatz zusammen. Wobei das Wort „Arbeitsplatz“ ja so viel mehr beinhaltet, als der reine Platz, an dem der Mensch seine Arbeit ableistet. Er dient ja nicht nur dem Erledigen von Aufgaben, sondern auch dem Austausch über Privates und der Definition von Gruppengefügen. Und ich behaupte, dass dies auch einen entscheidender Faktor für große Erfolge ist.

Viele Dinge werden aber nicht mehr von Angesicht zu Angesicht besprochen und ausgehandelt. Ich denke, dass das nicht bei allem notwendig ist, besonders wenn die Rollen definiert sind und es um einen Austausch von Daten und Fakten geht. Sollen aber neue Ideen und Projekte entwickelt werden, ist sicherlich der produktivere Prozess der einer echt zusammenkommenden Gruppe. Diese durchläuft, bis sie sich zur echten Hochform entwickelt, verschiedene Phasen, die aber unabdingbar sind, um das gemeinsame Ziel zu erreichen. Wer hat welche Aufgabe? Wer ist wozu geeignet? Gibt es Synergieeffekte, die man nutzen kann? Diese Prozesse laufen aber nicht bewusst ab und können nicht vorher festgelegt und besprochen werden, sondern geschehen in einem natürlichen Fluss. Als Mensch mit einer gewissen Lebenserfahrung ist man unterbewusst in der Lage bei dem Gegenüber Mikroausdrücke wahrzunehmen und einzuordnen. Diese helfen Stimmungen zu erkennen, die nicht verbal ausgedrückt werden. Und davon hängt auch in vielen Fällen die Reaktion ab. Sollte jemand verunsichert sein und sich hilflos fühlen, dann verbalisiert diese Person das nicht unbedingt, um zum Beispiel in einer Gruppe das Gesicht zu wahren und nicht inkompetent zu wirken. Die anderen Teilnehmer nehmen dies aber vielleicht wahr und versuchen diese Person subtil und ohne eine Degradierung im Gefüge zu unterstützen.

Vieles wird im Moment nicht mehr face to face verhandelt. Und da beginnt die Schwierigkeit.

Ich befand mich neulich in einer Videokonferenz, in der sich nicht alle Teilnehmer per Bild dazugeschaltet hatten. Es ging um die Präsentation neuer Ideen. Diese wurden durch einen geteilten Bildschirm präsentiert, so dass in dem Moment keiner der Teilnehmer zu sehen war. Die erste Schwierigkeit bestand schon darin, dass der Moderator nicht an den Blicken der Teilnehmer erkennen konnte, ob das Tempo angemessen ist.

Und wie oft ist man nicht ehrlich und lässt es einfach geschehen, weil man die Gruppe nicht aufhalten möchte? Oder geht es vielleicht anderen auch so?

Manchmal genügt ein Blick in die Runde, um einen Konsens mit Anderen festzustellen.

Mir als Teilnehmerin fiel es schwer, den richtigen Zeitpunkt für eine Zwischenfrage zu finden, ohne jemanden zu unterbrechen. Mir fehlten einfach die Signale, wann eine Intervention in Ordnung ist. Auch ist es bei Zwischenfragen ohne Bild dann schwer zu erkennen, welches Motiv der Sprechende hat: Findet die Person den Punkt so interessant, dass er vertiefende Informationen möchte? In diesem Fall impliziert dies eine Zustimmung und die Antwort findet auf der Sachebene statt.

Oder ist die Frage so ausgerichtet, dass sie vielleicht noch nicht bedachte Aspekte beleuchtet? Dann kann das auch bedeuten, dass es hier um das Aushandeln von Positionen im Gefüge geht und sich mehr auf die Beziehungsebene bezieht. Ohne Bild, und ich behaupte auch gewagt, ohne die Vibes, Resonanzen oder Schwingungen, die von einer solchen Situation ausgehen, ist es manchmal schwierig dererlei, besonders, wenn man sich nicht gut kennt, zu deuten und zu verstehen.

Deshalb: Wagen Sie es sich zu zeigen! Nutzen Sie die Stärke, die Sie noch gegenüber einer KI haben: Seien Sie ein Zoon Politikon, ein soziales und gemeinschaftsbildendes Wesen. Denn der Mensch braucht den Menschen, um zu überleben. Und wenn Erfolge mit Menschen geteilt werden, die einem wirklich wichtig sind, dann werden sie erst zu echten Erfolgen!


von Rebecca Lastig 30. November 2020
Stellen Sie sich einmal vor, sie sind zum Geburtstag eines guten Freundes in dessen Wohnung eingeladen. Sie kennen sich seit Jahren und natürlich ist Ihnen bekannt, wo alles in der Wohnung ihres Freundes ist. Kein Problem also, sich ein Getränk aus dem Kühlschrank zu nehmen und dies dann auch entsprechend später wieder am richtigen Ort loszuwerden (nicht dem Kühlschrank!). Auch die anwesenden Personen sind Ihnen nicht fremd, viele zählen zu Ihrem eigenen Freundeskreis. Kurz gesagt, Sie fühlen sich pudelwohl und schon fast wie zuhause. Und nun die gegenteilige Situation: Sie haben jemanden kennengelernt und werden zu dessen Geburtstag eingeladen, kennen niemanden außer dem Gastgeber -diesen nicht einmal gut- und sind das erste Mal in dessen Wohnung. Alles ist neu und Sie sind etwas aufgeregt. An diesem Abend lernen sie auch die Freunde des Gastgebers kennen und unterhalten sich mit ihnen. Die vielen Eindrücke führen womöglich dazu, dass Sie öfter nachfragen müssen und vielleicht am Ende des Abends nicht mehr alle Namen kennen (und das muss nicht an den Getränken liegen!). Sicherlich werden Sie diese Situation als weitaus anstrengender empfinden, als das Gefühl in eine gewohnte Umgebung zu kommen. Aber woran liegt das? Ungefähr 50% unserer Handlungen an einem Tag werden durch Basalganglien in unserem Gehirn gesteuert. Diese sind für Automatismen zuständig und erleichtern uns das Leben, da wir nicht immer alle uns bekannten Handlungen komplett vom Anfang bis zum Ende neu denken müssen. Achten Sie einmal darauf und sie werden viele Handlungen entdecken, die sie immer unbewusst gleich auszuführen, ohne darüber nachzudenken. Zum Beispiel die Reihenfolge in der Sie Zähne putzen, die Spurwechsel, die Sie auf dem Weg zur Arbeit vornehmen, um die Ideallinie zu finden, oder vielleicht die Reihenfolge in der Sie Dinge bei der Arbeit tun, ohne sie jedesmal zu überdenken. Etwas komplexer wird es, wenn es darum geht etwas Neues zu machen, das noch nicht in die Automatismen übergegangen ist. Dafür ist in unserem Gehirn der Präfrontalkortex gefragt, der zweifelsohne total überlastet wäre, wenn er für alle unsere Handlungen und Entscheidungen des Tages zuständig wäre. Jetzt müssen wir uns einmal in die Situation eines Kleinkindes hineinversetzen, das all die Erfahrungen und Handlungen noch nicht automatisiert hat und dessen ganzer Tag aus der Anstrengung des Präfrontalkotex besteht. Kein Wunder, dass man dafür wesentlich mehr Schlaf braucht! Bestimmt kennen Sie das Gefühl, das Sie, etwa bei einer Weiterbildung, neue Dinge kennenlernen oder entwickeln und sich dann am Ende des Tages komplett müde und erschöpft fühlen? Der Präfrontalkortex braucht eine Pause. Gönnen Sie sie ihm, schlafen Sie drüber und Sie werden sehen, dass sie am nächsten Tag viel sortierter auf die Ergebnisse des Vortages blicken und Sie auch besser beurteilen können. Eine besondere Herausforderung ist es aber, diese „Trampelpfade“, nicht nur im Gehirn, immer wieder einer Prüfung zu unterziehen (bloß nicht alle auf einmal!), sondern dies auch auf Prozesse in Unternehmen anzuwenden. Eine Weiterentwicklung kann schwerlich stattfinden, wenn Weiterentwicklungs- oder auch Lernprozesse nicht stattfinden, weil man nicht bereit ist, die Anstrengung aufzubringen und das eigene Tun nicht immer wieder hinterfragt. Und, wie auch im Privatleben, ist dafür die Sicht einer außenstehenden Person oft sehr hilfreich. Jemand, der einem hilft, Gedanken zu sortieren, Ideen zu entwickeln und Ziele zu definieren. Was wäre aber ein guter Freund, der Sie nicht dabei unterstützt, ihre Ziele auch langfristig im Auge zu behalten? Vielleicht überlegen Sie sich gemeinsam eine Strategie oder ein Belohnungssystem, das greift, wenn ein bestimmtes Teilziel erreicht wurde? Wichtig ist aber sowohl im Privaten als auch im Beruflichen: Bleiben sie Mensch und denken Sie daran: Es gibt uralte Trampelpfade, die zu Straßen wurden und neue Wege, die eine Abkürzung bedeuten und das Leben leichter machen. Und beide sind sinnvoll. Aber für unterschiedliche Ziele.
von Rebecca Lastig 25. September 2020
Ändern sich die Zeiten?
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